Die Geschichte des Tiroler Schützenwesens
Die Geschichte des Tiroler Schützenwesens ist so eng mit der Geschichte des Landes Tirol verwebt, daß man mit Recht behaupten kann, daß es das Land Tirol ohne Schützen nicht geben würde; sie kann bis 1918 als Geschichte der Tiroler Landesverteidigung bezeichnet werden. Die Verteidigung des geliebten Vaterlandes, der Heimat, der eigenen Familie war stets das höchste Ziel der Tiroler Schützen.
Der Glaube an Gott und an ihre gerechte, allein die Verteidigung anstrebende Zielsetzung gab ihnen auch in Zeiten höchster Not und Bedrängnis ungeahnte Kräfte.
In der Geschichte des Tiroler Schützenwesens kann man drei Abschnitte unterscheiden:
1) Die Epoche vor dem Tiroler Landlibell von 1511
Damit ist nur die Zeit des Spätmittelalters gemeint, jene Zeit also, welche in der Tiroler Geschichte geprägt ist einerseits von der Ausbildung des Landes bzw. der Grafschaft Tirol in der 2. Hälfte des 13.Jhds. und andererseits von der Epoche der Städtegründungen vom ausgehenden 12. bis zum Beginn des 14. Jhds.
Es ist jene Zeit, in der militärische Einsätze noch weitgehend auf der Grundlage der Feudalverfassung erfolgten. Die damalige feudale Heerbann-Pflicht der Untertanen eines Territorialherren bzw. die betreffende Heerbann-Leistung war jedoch genereller Natur und unterschied nicht zwischen Kriegsdienst nach außen und Landesverteidigung im Inneren des Landes.
Nur bei einer Gruppe der Untertanen eines Landesherren bzw. Landesfürsten dominierte von Anfang an die Verteidigungspflicht, – dies waren die Bürger der Städte. Die Städte Tirols hatten – wie die meisten Städte Mitteleuropas – in der Hauptsache drei Funktionen:
Sie mußten befestigt sein wie Burgen – daher auch der Name „Bürger“ für Ihre Bewohner.
Dank Ihrer Befestigung boten sie der Wirtschaft bzw. Handel und Verkehr die notwendige Sicherheit.
Endlich fungierten die Städte dank ihrer Befestigung als sichere Zentren im Ausbau und in der Sicherung der Landeshoheit und der Landesverwaltung.
Angesichts der hohen Bedeutung der militärischen Sicherheit in den Städten ist es daher nicht mehr als selbstverständlich, daß die Bürgerschaft der Städte in zweifacher Weise zu Sicherheitsleistungen verpflichtet war.
Einmal galt dies hinsichtlich des Baues und der Erhaltung der städtischen Ringmauern und der anderen Elemente der baulichen Stadtbefestigung und deren Instandhaltung; neben diesen baulichen Pflichten hatten die Bürger und alle Inwohner der Städte die regelmäßige Pflicht zum Wachdienst und zur militärischen Bereitschaft. An der Spitze der städtischen Schutzmannschaft stand ein „Stadthauptmann“, dem, entsprechend der Stadtviertel, Viertelhauptleute zur Seite standen.
Wenngleich die Hauptaufgabe dieser städtischen Aufgebote die Verteidigung der jeweiligen Stadt war, so wurden die städtischen Aufgebotsmannschaften doch gelegentlich auch zum Verteidigungseinsatz an den Landesgrenzen herangezogen. So z.B. im Jahre 1410, als die Haller Bürger im Verlauf der damaligen Kriegsereignisse mit 72 Pferden und 52 Mann zu Fuß “ ze velde an die lantweren“ ausgezogen sind.
ca. um 1335 urkundliche Erwähnung des Begriffes Schütze in den Verordnungen der Grafen von Görz; urkundliche Erwähnung des Begriffes Schütze in den Verordnungen der Grafen von Görz.
ca. 1410 der Begriff „Schütze“ wird in den Musterregistern der Stadt Lienz verwendet; man bezeichnete damit die mit Armbrust bewaffneten „Stachelschützen“;
Aus dem eigentlichen Raum der Grafschaft Tirol hat sich ein nur wenige Jahre jüngeres Dokument erhalten, welches als Tirols ältestes „Aufgebot“ bezeichnet werden kann.
Konkret handelt es sich um eine Urkunde aus dem Jahre 1406 welches sich – im Gegensatz zu den früheren Beispielen – nicht an die Bürgerschaft einer Stadt richtet, sondern an ein Landgericht, bzw. an das Gericht zu Passeyr. Darin ruft der damalige Landesfürst von Tirol, Herzog Leopold IV. von Österreich „“alle, so in dem Gericht zu Passeyr sitzen und zur Wehr geschickt sind, auf, „zu Roß und zu Fuß sich zu uns gegen Salurn bei Tag und Nacht fürderlich und ohne alles Verziehen zu begeben … und unser Land und Leut helfen zu retten.“
1406 ist nicht nur für das Tiroler Schützenwesen von großer konstitutiver Bedeutung; aus dem gleichen Jahr datiert auch jene vom demselben Landesfürsten und seinem jüngeren Bruder und Nachfolger, Herzog Friedrich IV. (mit der leeren Tasche) erlassene „Landesordnung“ oder Landesfreiheit, welche für die Untertanen das Ende der Leibeigenschaft brachte.
Die Aufhebung der Leibeigenschaft war der erste Schritt zur politischen Mündigkeit aller Gerichtsuntertanen. An den seit 1424 ziemlich regelmäßig abgehaltenen Landtagen nahmen, neben den Adel, den Prälaten und den Städten auch die Vertreter der Land-, Hofmarkgerichte, in der Hauptsache also der Bauernstand als vierter, gleichberechtigter Stand teil.
Die so erlangte Landstandschaft hatte damit auch eine verstärkte Identifikation mit dem Land und seinen Interessen, namentlich mit der Sicherheit zur Folge.
Damals wurde also die Grundlage für die jahrhundertelang praktizierte Bereitschaft der Tiroler, ihr Land zu verteidigen gelegt. Ziel und Inhalt des Tiroler Schützenwesens war dementsprechend stets nur die Verteidigung des eigenen Landes, der eigenen, engeren Heimat, der eigenen Familie. Nachbarn zu bekriegen war – jedenfalls seit dem 15. Jhd. – niemals Absicht und Ziel der Tiroler Landesverteidiger.
Andererseits wußten die seit 1363 die Grafschaft Tirol regierenden habsburgischen Landesfürsten die Bereitschaft der Tiroler, ihr Land selbst zu verteidigen, zu schätzen. Dementsprechend ist es keine leere Floskel, wenn Kaiser Maximilian I. in der Präambel zum Tiroler Landlibell von 1511 darauf Bezug nimmt, daß bereits von seinen Vorgängern in der Landherrschaft zugesichert und deklariert worden ist, daß die Tiroler „in Kriegszeiten nur verpflichtet sind, uns innerhalb und an den Grenzen des eigenen Landes zu dienen.“
Quelle: Die Texte basieren weitgehend auf ein Manuskript von Univ.Prof. Dr. H.Hye, Ehrenoffizier der SK. Wilten
2) Die Blütezeit des Tiroler Schützenwesens auf der Grundlage der im Tiroler Landlibell zugrundegelegten Tiroler Landesverteidigungsordnung oder Verfassung von 1511 bis 1918, gültig im ganzen und ungeteilten Tirol.
Die Geschichte des Tiroler Schützenwesens: Die Blütezeit
Landlibell kann als eine die Landesverteidigung regelnde Verfassungsurkunde bezeichnet werden. Sie wurde nach Verhandlungen mit der Tiroler Landschaft, d.h. mit den Tiroler Ständen erlassen. Dementsprechend wird am Ende der Urkunde ausdrücklich festgestellt, daß Maximilian „die vorgenannten Ordnungen und Artikel, die unsere Landschaft beschlossen und sich darüber geeinigt hat, zu gnädigen Wohlgefallen angenommen“ hat.
Die personelle Grundlage dieser Landesverteidigungsordnung bildet das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht aller tauglichen männlichen Untertanen des Landes
Das Aufgebot erfolgt einerseits gerichtsweise bzw. durch die Gerichtsobrigkeit eines jeden Gerichtsbezirkes, andererseits in Entsprechung zum Grad der Bedrohung des Landes in fünf gestaffelten Aufgeboten. Das erste Aufgebot umfaßte in Summe höchstens 5000 Mann, das zweite Aufgebot 10.000 Mann, das dritte 15.000 und das vierte Aufgebot 20.000 Mann. „Wenn aber die Feindesgefahr so groß und überraschend ist, daß die Streitmacht von 20.000 Mann nicht rechtzeitig ins Feld kommt, … so sollen inzwischen die der Gefahr am nächsten Befindlichen aus allen Ständen zuziehen und solange bleiben, bis die obgenannten 20.000 Mann ins Feld kommen.“ Dieses fünfte oder letzte Aufgebot sollte durch „Glockenstreich“ d.h. durch Sturmgeläute aufgerufen werden. Diejenigen aber, „welche nach solchem Glockenstreich oder glaubhaften schriftlichen Aufforderungen nicht zuziehen, sollen an Leib und Gut bestraft werden.“
Während also die Tiroler Landstände die Mannschaften für die Aufgebote stellten, übernahm der Landesfürst die Verpflichtung, „Vorsorge zu treffen für die notwendigen Geschütze, Pulver, Kugeln, Werkleute, Büchsenmeister, auch Harnisch und Wehr und anderes Kriegsmaterial, desgleichen, daß die Kästen (d.h. die Magazine) mit Getreide, Fütterung und Mehl ausreichend versehen“ sind. Auch die Instandhaltung der Befestigungsanlagen an den Landesgrenzen war landesfürstliche Aufgabe.
Abgesehen von dieser Aufteilung der Pflichten zwischen Landschaft und Landesfürst enthält das Landlibell auch gegenüber dem Landesfürsten die einschränkenden Bestimmungen, wonach er einerseits künftig ohne Wissen und Bewilligen der Landstände keinen Krieg anfangen solle oder wolle, der Tirol betreffe. Andererseits nimmt er zur Kenntnis, daß die Landstände bzw. Tirols Wehrmänner „nicht schuldig und verpflichtet sein, mit solcher ihrer Hilfe des kleinen oder großen Anschlags (bzw. Aufgebots) a u s unserem Land zu ziehen, sondern diese Hilfe einzig und allein als Hilfe zu Verteidigung, Widerstand gegen die Feinde und Bewahrung des Landes“ in Anspruch genommen werden kann.
In einem wesentlichen Punkt unterscheiden sich die Bestimmungen des Landlibells von der späteren Praxis: im Landlibell wird verfügt, daß die Hauptleute der Aufgebote „durch uns“, also durch den Landesfürsten ernannt werden, während seit beginnenden 17.Jhd. die Aufgebotskommandanten von den Mannschaften selbst erwählt und lediglich von den landesfürstlichen Behörden bestätigt worden sind.
Die mit den Tiroler Landständen konöderierten geistlichen Fürstentümer Brixen und Trient, die an dem Landlibell ebenfalls mitwirkten, zogen in Kriegsfällen allerdings nicht unter Tiroler Fahne, sondern unter eigenem „Fähnlein“ ins Feld.
Bereits vor 1511 war es allgemein üblich, daß jedem Gerichtsaufgebot eigene Fahnen vorangetragen wurden. Die ältesten urkundlichen Belege hierfür liegen aus 1410 und 1496 vor. So zogen die Bürger von Hall im Jahr 1410 „mit aufgeworfenen Bannern“ an die Landesgrenze, während den Aufgeboten des Landgerichts Laudegg im obersten Inntal und jenem des Passeiertales im Jahre 1496 durch Maximilian die Führung seiner Fahne verliehen und bestätigt worden ist. Die älteste erhaltene Aufgebotsfahne, die auf grund des heraldischen Dekors in die Zeit zwischen 1490 und 1508 zu datieren ist, ist vermutlich die Fahne des Bergknappenaufgebotes von Schwaz.
1511 Kaiser Maximilian erläßt das Landlibell, das die Verpflichtung zur Selbstverteidigung Tirols durch alle Stände begründete; es ist das Grunddokument für die Tiroler Wehrhaftigkeit, bestätigte die tirolischen Landesfreiheiten und hat die Sonderentwicklung des Landes innerhalb Österreichs mitbestimmt.
So wie jede Landesordnung, so bedurfte auch die Landesverteidigungsordnung von 1511 von Zeit zu Zeit gewisser Reformen, Änderungen und Anpassungen an die veränderten politischen und militärischen Gegebenheiten der Zeit.
1526 Zuzugsordnung, die den örtlichen Einsatz des Aufgebots an den Südgrenzen regelt; diese Zuzugsordnung wurde 1542 auch auf die nördlichen Landesgrenzen ausgedehnt.
1552 Niederlage der Aufgebote gegen die schmalkaldischen Truppen; Verlust der Festung Ernberg.
1605 Zuzugsordnung Erzherzog Maximilians III., der „Deutschmeister“; zum ersten Mal wird das „Welschtiroler Viertel“ (Welschen Confinen) genannt. Neu war die Bewaffnung mit Musketen.
1636″Landt-Militia“ – Reformationslibell der Claudia de Medici. Erste „Militarisierung“ der Landesverteidigung, die auf wenig Gegenliebe bei den Ständen und der Bevölkerung stieß
1660Rückkehr zum Aufgebot des Landlibells
1703 Die Tiroler Schützen erleben ihre erste Bewährung im sog. „Boarischen Rummel“.
1704 auf grund der in den Auseinandersetzungen von 1703 gewonnenen Erkenntnisse wurde eine neue Zuzugsordnung erlassen; sie sah die Bildung eines Regiments, bestehend aus 12 Scheibenschützenkompanien zu je 200 Mann vor. Erstmals wurden die Schützen als eigene Truppe neben dem Militär als Teil der Landesverteidigung geführt. Die Verordnung verbesserte das Informationswesen: Kreidefeuer als Informationsmittel, die im Boarischen Rummel zu Mißverständnissen geführt hatten wurden durch die sog. „Laufzettel“ ersetzt.
1714 Ergänzung der Zuzugsordnung von 1704; Bildung von 2 Regimentern, später von 4 Regimentern zu je 4000 Scheibenschützen;
Eine wichtige Grundlage zur realen Anwendung der Bestimmungen des Tiroler Landlibells in den folgenden Zeiten, waren die regelmäßig in jedem Gericht durchzuführenden Musterungen, wovon eine Reihe aufschlußreicher „Musterungslisten“ erhalten geblieben sind.
Nicht weniger wichtig war die regelmäßige Schießausbildung und Schießübung an den Schießständen, deren sich in jedem Gericht je nach dessen Größe und Ausdehnung mindestens einer oder mehrere befunden haben. Grundlage dafür bot die
1736 von Kaiser Karl VI erlassene Schießstandordnung, die fast hundert Jahre Bestand haben sollte; sie regelte in 75 Artikeln das Schieß- und Schützenwesen in Tirol; es anerkannte das Tirolische Defensionswesen als eigenständiges Verteidigungssystem neben jenem des restlichen Kaiserreiches. In der Folge entstanden in vielen Orten Tirols Schießstände.
Zeit eine Differenzierung der Landesverteidiger in zwei Gruppen, in jene der Standschützen und in jene der Landstürmer oder Milizioten.
Die Standschützen waren Schützen, die sich geradezu vereinsmäßig als Mitglieder eines Schießstandes einschreiben bzw. „einrollieren“ ließen. Sie verpflichteten sich zu einer intensiven Scharf- und Scheibenschützen-Ausbildung. Die von diesen Scharfschützen gebildeten Defensions-Kompagnien waren wegen ihrer Treffsicherheit von den Kriegsgegenern gefürchtet. Für ihre Einsätze bevorzugten sie Talengen und Klausen.
Die Landstürmer oder Angehörige der Landmilitia hingegen verzichteten auf eine gezielte Scharfschützen-Ausbildung und kamen nur der militärischen Präsenz- und Einsatzpflicht nach, d.h. sie rückten im Ernstfall im Rahmen des Gerichts-Aufgebots mit ihrem Stutzen ins Feld.
1796 erste große Bewährungsprobe des Tiroler Selbstverteidigungssystems in den ersten Revolutionskriegen gegen Napoleon I. (Schlacht bei Spinges – 4. April 1796 – Schlachten bei Bozen, Segonzano und Rivoli). In den Kriegsberichtserstattungen werden zum ersten Mal die Begriffe Schützenkompanien in Verbindung mit dem Namen eines Gerichts oder Ortschaft verwendet; Gemeinde-Kompagnien konnten sich nur dort bilden, wo ein entsprechendes Bevölkerungswachstum vorlag.
1809 Tiroler Befreiungskriege unter Führung von Andreas Hofer; Tiroler Schützen befreien das Land von bayrischer und französischer Besetzung. Drei „Bergiselschlachten“
1810 20.Februar 1810 – Erschießung Andreas Hofers in Mantua sowie anderer Schützenkommandanten. Tirol wird dreigeteilt in Etschkreis (Königreich Italien) Innkreis (Bayern) und Illyrischen Kreis (Kärnten)
1815 Wiener Kongreß – Wiedervereinigung Tirols als Habsburgischen Erb-Kronland.
1839 erschien anläßlich der „Erbhuldigung der Tiroler Stände vor Kaiser Ferdinand I“ in Innsbruck eine Dokumentation von Beda Weber, in der alle daran teilnehmenden Schützenkompanien genannt wurden
ab 1838 faktisches Ende des Selbstverteidigungssystems der Tiroler durch Einführung der zwangsweisen Rekrutierung, wie in den übrigen Teilen des Reiches; einzige Besonderheit: der Militärdienst mußte nur im eigenen Land absolviert werden; auch dieses Versprechen wurde 1866 bzw. 1914 von der Krone gebrochen
1838 Gründung des Tiroler Jägerregiments, das bis 1914 ausschließlich aus Tirolern gebildet wurde und nur zum Schutz des Landes eingesetzt werden sollte. Entgegen dieser Regelung 1866 in den Kämpfen gegen das Königreich Italien eingesetzt.
1848 Ausrücken verschiedener Schützenkompanien an die südlichen Grenzen (Judikarien, Ampezzo – Gebiet, Stilfser Joch) gegen die Aufständischen der Märzrevolution; Gründung der Tiroler Studenten-Schützenkompanien unter Adolf Pichler (Innsbruck) und Prof.Böhme (Wien)
1864 eine neue Landesverteidigungsordnung gliederte das Aufgebot je nach Grad der Feindesgefahr in 1. Organisierte Landesschützenkompanien (6200 Mann), 2.freiwillige Scharfschützenkompanien und 3. der Landsturm; Das Institut der Landesverteidigung wird zu einer rein bürgerlichen Institution. Die allgemeine Wehrpflicht gilt nun auch in Tirol.
1866 Mobilisierung des 2. und 3. Aufgebots; Bildung einer „Freiwilligen Scharfschützenkompanie“ durch die Studentenverbindung „Rhätia“, „Athesia“ und „Austria“ unter Gymnasialprof. Josef Daum, sowie einer „Ersten Wien-Tiroler Scharfschützenkompanie“.
Landesverteidigung an den Landesgrenzen – im Vinschgau, Judikarien, Sulz- und Nonstal, Buchenstein, Ampezzo, Fleimstal. Gefechte bei Bezecca (SK Kitzbühel-Hopfgarten-Rattenberg-Schwaz), Gefecht bei Virgolo in der Valsorda (SK Fügen-Zell)
1870 Das Institut der Landesverteidigung als bürgerliche Einrichtung wird durch das Gesetz vom 19.12.1870 zu einem „integrierten Teil der bewaffneten Macht.“ Damit Ende des freiwilligen Selbstverteidigungssystems. Bildung einer Art Landmiliz. Die Landesschützen wurden in 10 Bataillonen mit 4 (6) Kompanien gegliedert. Die Offiziere – in Tiroler Schützenkompanien immer von den Schützen gewählt wurden ernannt. Dies wurde, trotz Widerstands des Tiroler Landtags 1874 sanktioniert. Darin wurde verfügt, daß die wehrpflichtigen Tiroler fortan – entweder im Rahmen der k.u.k. Armee bei den Tiroler Kaiserjägern oder im Rahmen der k.k. Österreichischen Landwehr bei den damals als militärische Einheit aufgestellten „Tiroler Landesschützen“ dienen konnten. Damit wurden dem alten Tiroler Schützenwesen die wehrpflichtigen Jahrgänge von 18. bis zum 42. Lebensjahr jeweils für die Dauer der Ableistung der Wehrpflicht entzogen. Nach der Ableistung der Wehrpflicht, bildeten diese Männer jedoch den Landsturm. Sowohl den Mitgliedern des Landsturms, wie den Männern unter dem 18. und über dem 42. Lebensjahr war es freigestellt, sich überdies bei einem Schießstand als „Standschütze“ einzurollieren. So entstanden die berühmten Standschützenregimenter und – Kompanien, die im Jahre 1915 nach der überraschenden Kriegserklärung Italiens und dem Einsatz der Tiroler Kaiserjäger an der Ostfront, in aller Eile mobilisiert wurden und die Südfront so lange hielten, bis die regulären Truppen eintrafen.
1874 Neue Schießstandsordnung. Der Begriff „Standschützen“ als Mitglieder dieser Schießstandvereine wird eingeführt.
1883/1886 Militarisierung der Tiroler Wehrverfassung. Der Landsturm als gesamtstaatliche Einrichtung wird dem militärischen Gesetz und Gerichtsbarkeit unterworfen. Der Einsatz außerhalb der Landesgrenzen wird sanktioniert. Außerdem konnten auch „Nicht-Tiroler“ Landesschützen werden.
1914-1918 Einsatz der Standschützen an der Südgrenze Tirols; Standschützen waren alle jene, die zu jung oder zu alt waren, um in die reguläre Armee einberufen zu werden; sie bildeten 1915 – nachdem die regulären Tiroler Regimenter in Galizien eingesetzt waren, das Rückgrat der Verteidigung gegen Italien. Sie führten erfolgreich den Krieg in Bergen (Monte Piano, Ortlerfront, Dolomitenfront.). Die südliche Tiroler Landesgrenze wurde nie militärisch im Kampf eingenommen.
1919 Annexion Tirols durch Italien und Teilung. Der Faschismus verbietet alles Deutsche, die Tracht, die Institution Schützen.
Die Texte basieren weitgehend auf ein Manuskript, das Univ.Prof. Dr. H.Hye, Ehrenoffizier der SK. Wilten und Ehrenkranztrager des SSB zur Verfugung gestellt hat.
3) Die Tiroler Schützenkompanien im Österreichischen Bundesland Tirol seit 1918/1919 und der Bund der Tiroler Schützenkompagnien seit 1950
Die Geschichte des Tiroler Schützenwesens: die Zeit nach 1945
Nach dem 2. Weltkrieg waren wieder Männer am Werk, um in Tirol das Schützenwesen neu aufzubauen.
Die Alliierten ließen fast alle Schützentrachten und -Gewehre vernichten; wer die Waffen nicht abgab, lief Gefahr, festgenommen und erschossen zu werden. Somit waren also alle Organisationen zerschlagen. Trotzdem begann sich schon bald unter den Überlebenden des Krieges und den Heimkehrern der Tiroler Schützengeist zu regen. Ein Aufbau aus dem Nichts – und doch Kraft für einen Neubeginn. Die Gesinnung und das Bekenntnis zum Schützenwesen waren entscheidend, um unter schwierigsten Bedingungen wieder an die Erstellung von Kompanien zu denken. Schon hatten sich in Innsbruck-Umgebung, dann besonders im Oberinntal, im Wipp- und Stubaital um 1946/47 wieder einige Schützenkompanien gebildet. Der Oberinntaler Schützenbund konnte gegründet werden.
Besonders „Schützenfreundlich“ erwies sich General Antoine Béthouart von der französischen Besatzungsmacht. Er sah ein, daß „es besser sei, den Tirolern die Gewehre zu geben, als sie ihnen zu nehmen“ und „daß man die Tiroler lassen sollte, wie sie sind, weil sie ja doch tun, was sie wollen“. Béthouart spendierte den Schützen sogar 300 italienische Gewehre.
General Béthouart blieb Freund und Gönner der Schützen. Er besuchte mehrmals Tirol, vor allem seinen Jagdort Scharnitz, und hielt den „Schützen-kontakt“ aufrecht. In sein Testament schrieb er, daß Tiroler- Schützenoffiziere und der Landeshauptmann von Tirol nach seinem Tode an seiner Bahre stehen sollen. Und so war es auch, als der General 1982 starb: Mitglieder der Bundesleitung und Schützen-offiziere (insgesamt 20 Mann) fuhren mit Landes-hauptmann Wallnöfer nach Paris, wo sie dem General im Invalidendom die letzte Ehre erwiesen.
Leider hat es die Presse allen voran der ORF nicht verstanden oder auch gar nicht gewollt aufzuzeigen, daß es das erste Mal nach 1809 war, daß fran-zösische Fahnen der Tiroler Schützenfahne die Ehre erwiesen haben. Als unsere Bundesstandarte in den Invalidendom einzog, leistete der gesamte Fahnenblock aller Wehr-machtsteile der französischen Armee der Tiroler Fahne die Ehrenbezeugung. Béthouart war es gewesen, der 1947 erstmals den Wiltenern und dann allen anderen Schützen das Tragen von Waffen gewährte, die Wieder-gründung des Tiroler Schützenwesens geneh-migte und seine Unterstützung beim Staatsvertrag Österreichs zusicherte.
Als am 17. Dezember 1989 in Paris der 100jährige Gedächtnisgottesdienst für General A. Béthouart stattfand, nahm eine Tiroler Abordnung (Bundesbildungsoffizier Major Karl Pertl und drei Wiltener Schützen) daran teil.
Da Tirol vorerst von den Amerikanern besetzt war, wurden viele Gewehre beschlag-nahmt, Fahnen und Trachten vernichtet. Es gab auch Hausdurchsuchungen. Man wollte die alten Vorder- und Einzelladergewehre für kirchliche und festliche Anlässe zum Salutschießen behalten, da die alten Stücke ja kriegsuntauglich waren und hiefür keine scharfe Munition zu erhalten war. Die Polizei verlangte aber die Ablieferung aller Waffen, welche man nur „aufzunehmen“, dann wieder zurückzugeben vorgab. In Wirklichkeit wurden die Gewehre sofort vernichtet.
Dann wurden die Amerikaner von den Franzosen unter General A. Béthouart abgelöst.
Zunächst fand im Jänner 1950 die konstituierende Versammlung des Bezirksschützenbundes Innsbruck-Stadt und -Land statt.
Der damalige Referent des Tiroler Brauchtums, Hofrat Dr. Josef Schumacher, der letzte Landeshauptmann von Tirol in der ersten Republik und Ehrenbürger von Landeck, schrieb im Geleitwort für das Rundschreiben an die Gemeindeämter und Kompanien, daß die Tiroler Schützenkompanien die beste Tradition darstellten, uraltes Brauchtum seien und bei vaterländischen und kirchlichen Feiern nicht wegzudenken seien.
Man wußte, daß nur eine starke, gut geführte Organisation imstande wäre, den Wiederaufbau zu fördern und die Kompanien wieder in die Höhe zu bringen, nachdem der vergangene Krieg schwere Verluste an Mann und Material gefordert hatte.
So wünschte man, daß sich alle Kompanien des Bezirkes einmal zusammentun. Man rief auf, zum 140. Todestag Andreas Hofers am 20. Februar in der Hofkirche Innsbrucker Fahnen-abordnungen zu senden. Die französischen alliierten Behörden erlaubten auch, daß bei Fronleichnamsprozessionen, kirchlichen und anderen Festlichkeiten geböllert und Salven geschossen werden durften.
Im Februar und März 1950 wurde die konstituierende Generalversammlung des Landes-schützenbundes, so wollte sich der Bund zuerst benennen, vorbereitet. Am 2. April 1950 fand im Gasthaus Haymon, Wilten, die Gründungsversammlung statt.
Anwesend waren Vertreter aus Wilten, Pradl, Hötting, Mühlau, Aldrans, Schwaz, Schmirn, Neustift/Stubai, Absam, Roppen, Silz, Inzing, Zirl und Seefeld.
Am 20. April 1950 kam es dann zur Gründung des Bundes der Tiroler Schützenkompa-nien mit Angelobung der Gründungsmitglieder.
Der Verband nannte sich von nun an Bund der Tiroler Schützenkompanien, denn die damaligen Sport- und Scheibenschützen hatten sich neu geordnet und wurden zum „Tiroler Landesschützenbund“.
Präsident Josef Schumacher übernahm die Repräsentationsfunktion, während die anfallenden Aufgaben vom Ausschuß – von Bernhard Ploner, dem „Vater des Bundes“, und Geschäftsführer Franz Steinlechner – durchgeführt wurden. Nach dem Motto „gemeinsam ist man stärker“ machte besonders Franz Steinlechner den Schützenkamera-den Mut, und sein vorbildliches Wesen und seine riesige Begeisterung übertrugen sich auf immer mehr Kompanien Als er 1965 sein Amt niederlegte, war der Bund auf 204 Kompanien angewachsen. Dabei darf man die anfänglichen Schwierigkeiten nicht vergessen: die große materielle Not der Nachkriegszeit und das Mißtrauen der Besatzungsmächte. Heute kann sich kaum jemand vorstellen, wie schwierig es war, Gewehre zu besorgen.
Da fast alle von der Besatzung verbrannt worden waren und nur wenige durch gutes und gefahrvolles Verstecken gerettet werden konnten, war man zuerst gezwungen, unbewaffnet auszurücken.
Mjr Steinlechner Neben alten Werndlgewehren lieh man sich von Privaten die unterschiedlichsten Gewehrtypen aus, bis man innerhalb einiger Jahre mehrere Gewehrkaufaktionen aus der Schweiz über die Bühne bringen konnte. Passende Munition aufzutreiben, war auch nicht einfach.
Erst nach Jahren gelang es, unter vielen persönlichen Opfern, Holzverkäufen der Ge-meinde, Subventionen vom Land, die Ausrüstung der Kompanien – Trachten, Gewehre, Fahnen – wieder zu beschaffen, so daß man wie früher ausrücken konnte.
Quelle: Alte Homepage des Bundes der Tiroler Schützenkompanien; zusammengestellt von Mjr Emmerich STEINWENDER